Abschlussaktivitäten

Letzte Schulstunden

Kleine Freuden für die Schüler

Bei meinen letzten Stunden in der Schule bemühte ich mich, mir für die einzelnen Kurse einen nette Abschlussaktivität auszudenken: Mit den Erst-, Zweit- und Drittklässlern organisierte ich mit Hilfe der jeweiligen Klassenlehrer einen Wanderausflug in eine nahgelegene „comunidad“ (Dorfgemeinschaft), deren zentrale große „plaza“ die Kinder zum Toben und Spielen nutzen konnten. Zur Mittagzeit kochten wir auf Holzfeuern in großen Töpfen mit mitgebrachten Zutaten ein „churrasco“ (Reiseintopf mit Fleisch), und es war eine wahre Freude, den Kindern anschließend beim Essen zuzusehen. Gemeinsam mit der Dorflehrerin und ihren 14 Schülern hatten wir Spiele organisiert, um die Kinder den Nachmittag über beschäftigt zu halten. Für mich ist die Erinnerung an diesen Tag durch sehr gemischte Gefühle geprägt: Einerseits gehören die Momente des gemeinsamen Erlebens und Teilens mit den Kindern zu den schönsten meines Aufenthalts; andererseits war diese Abschlussaktivität schon durch meinen baldigen Aufbruch überschattet, und die Kindern baten mich immer wieder „Profe, no se vaya, por favor“ (Lehrerin, bitte gehen Sie nicht fort). Viele von ihnen zogen die Schlussfolgerung, dass sie mich, genauso wie viele andere Freiwillige zuvor, nie mehr wiedersehen würden: „Usted tiene que casarse, ya no va a volver por acá.“ (Sie müssen heiraten, Sie können ja gar nicht wieder zurückkommen).

Mit den Oberstufenkursen konnte ich ebenfalls etwas Besonderes zum Abschluss durchführen, und zwar dank der sehr unerwarteten, jedoch höchst willkommenen Unterstützung des Caritas-Kreises, der mir eine großzügige Spende zukommen ließ. Nach Besprechung mit der Direktorin und der Lehrerschaft wurde entschieden, einen Fernseher und DVD–Spieler sowie einige Möbel anzuschaffen; so fuhr ich Ende März nach Santa Cruz, um dort ein adäquates Gerät zu kaufen und es mit der „flota“ herzuschicken. Anschließend dauerte es eine Zeitlang, bis ein Möbelstück zum Schutz der Geräte vor dem penetranten Staub hergestellt war, und einige Wochen vor meiner Abreise war das Gerät zum ersten Mal einsatzbereit.
Da viele Oberstufenschüler mich um einen Exkurs über deutsche Geschichte des Dritten Reichs gebeten hatten, beschloss ich, zum Abschluss in allen Oberstufenkursen Ausschnitte aus dem Tagebuch der Anne Frank zu lesen und davon ausgehend bestimmte Aspekte zu besprechen. Die Schüler verhielten sich sehr interessiert und respektvoll und nicht wenigen standen bei traurigen Szenen die Tränen in den Augen. Im bolivianischen Fernsehen werden des öfteren Filme wie „Das Leben ist schön“ oder „Schindlers Liste“ gesendet, jedoch können nur wenige aufgrund mangelnden Wissens (der Geschichtsunterricht beschränkt sich fast ausschließlich auf nationale Geschichte) die gezeigten Geschehnisse richtig einordnen. Nur wenige Schülern verbanden das Hakenkreuz oder den Hitlergruß mit deutscher Geschichte, und einer meiner Schüler trug bis zur Besprechung dieses Themas ein Hakenkreuz am Armgelenk, ohne dessen Bedeutung zu kennen.
Im Rahmen dieses Themas kam dann auch der DVD–Spieler erstmalig zum Einsatz: Die einzelnen Kurse konnten zwischen den beiden oben genannten Filmen wählen, um so einen Vergleichspunkt zum Tagebuch der Anne Frank zu erhalten. Fast alle Schüler reagierten auf diese Filme recht betroffen, und hin und wieder ergaben sich interessante Diskussionen, wie Deutschland zum Beispiel heutzutage mit seiner Rolle in der Vergangenheit umgehen solle. Manchmal stellten die Schüler auch Vergleiche zwischen bolivianischer und deutscher Geschichte auf oder fragten mich nach meinem persönlichen Standpunkt aus. Mich hat es sehr beeindruckt, wie bereitwillig und offen sich die Schüler mit der Geschichte meines Landes beschäftigt haben.

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