Box Office Assistant

Interviews

Vorstellungsgespräche

Kurz nachdem ich mich wirklich ernsthaft um Arbeit bemühte, hatte ich mein erstes Vorstellungsgepräch. Ich hatte mich beim Empire beworben, die Stelle war im Job Centre ausgeschrieben. Zwei Wochen später bekam ich einen Brief, daß ich dort anrufen soll, um einen Vorstellungstermin auszumachen. Ich rief sofort an, und vereinbarte einen Termin für den kommenden Freitag vormittag. Dafür mußte ich zwar Mime Class schwänzen, was Desmond überhaupt nicht gefallen würde, aber wenn mir das einen Job verschaffen würde, war es mir die Sache schon wert.

Das Empire, nicht zu verwechseln mit dem gleichnahmigen Premierenkino im West End, befindet sich in Shepherd´s Bush, komischerweise in der gleichen Straße wie meine Schule. Die Desmond Jones School of Mime and Physical Theatre war nur zehn Minuten zu Fuß die Straße weiter runter. Als ich zum verabredeten Termin vor dem Empire stand, traute ich meinen Augen nicht, ich stand vor einem uralten Theater mitten im Umbau. In einem kleinen Wohnwagen, der vor dem Theater stand, arbeite der Box Office Manager, Tim Hilton, der mich zu diesem Interview eingeladen hatte. Nachdem ich mich vorgestellt hatte, schloß Tim seinen provesorischen Arbeitsplatz ab, und führte mich in der Bauruine herum. Drinnen sah es noch fürchterlicher aus als man von draußen ahnen konnte. Es waren erst die Bühne und einige wenige Sitzreihen fertig. Das in zwei Wochen alles fertig sein sollte erschien mir sehr unwahrscheinlich. Ich ließ mir aber nichts anmerken. Tim Hilton erklärte mir inzwischen die Aufgaben eines Box Office Assistants. Das ist nichts kompliziertes, ich sollte am Telefon Fragen beantworten und Buchungen entgegennehmen. Bei den Credit Card Bookings bestellt man telefonisch seine Karten, die Karten werden zugeschickt. Bezahlt wird mit Kreditkarte, d. h. man muß bei der Bestellung seine Kreditkartennummer angeben. Im Kino kann man auch auf diese Weise Karten bestellen. Zugeschickt wird da aber nicht, man kann die Karten an der Kasse abholen.

Das Interview verlief toll, Tim war sehr nett er zeigte und erklärte mir alles. In dem Theater sollten vorwiegend klassische Konzerte stattfinden. Er stellte mir zwischendurch auch die üblichen Fragen, die man von Vorstellungsgespächen kennt. Dann gab er mir auch die Gelegenheit, Fragen zu stellen. Tim war sehr zuversichtlich, daß alles in der geplannten Zeit fertig werden würde. Wir verblieben schließlich so, daß er mich anrufen würde sobald alles fertig war. Ich sollte einen Tag zur Probe dort arbeiten um zu sehen wie es mir gefällt. Ich hatte ein sehr gutes Gefühl, aber ich habe trotzdem nie wieder etwas vom Shepherd´s Bush Empire gehört. Ob es nur daran lag, daß andere Bewerber bessere Qualitäten hatten weiß ich nicht. Vielleicht sind auch die Bauarbeiten nicht fertig geworden, und alles hat sich um Wochen verzögert. Es kann aber auch sein, daß Tim Hilton versucht hat, mich zu erreichen und ich die Nachricht nie bekommen habe.
Da sich nichts anderes ergab, fing ich erst mal bei McDonald´s an.

Karriere bei McDonald´s

Als sich mein zweiter Term an der Desmond Jones School of Mime dem Ende näherte, habe ich überlegt ob es eine Möglichkeit gibt in London zu bleiben. Den dritten Term hätte ich mir finanziell nicht mehr leisten können.

Das hätte drei weitere Monate im teuren London bedeutet, mit kaum eigenen Einkünften. Der Lohn bei McDonald´s war nicht mehr als ein kleines zusätzliches Taschengeld. Meine Ersparnisse waren schon erheblich zusammengeschrumpft, als mir zufällig eine Zeitungsanzeige in die Hände fiel, in der ein/e Trainee Manager/ess gesucht wurde. Ich beschloß, mein Glück bei einem Full Time Job zu versuchen. Schon eine Woche nach meiner Bewerbung bekam ich eine Einladung zu einem Vorstellungsgespräch. Den Termin sollte ich noch telefonisch bestätigen.
Das Interview fand in Streatham statt, einem Vorort von London der nicht mehr im Netz des Londoner Ungergrounds ist. Ich mußte mit der British Rail hinfahren.
Das Cannon Cinema, indem ich mich vorstellte war schon sehr alt, von innen und außen. Mindestens genauso alt war die Frau die an der Kasse saß. Der General Manager, Patrick Stewart, hatte ein winziges Büro, daß er sich mit seinem Stellvertreter teilte.

Nach den üblichen Bergüßungsfloskeln und etwas Small Talk, erzählte Mr. Stewart mir von den Überfällen in Streatham. Es war in der letzten Zeit dort zu einigen Raubüberfällen gekommen und auch das Cannon Cinema war davon nicht verschont geblieben. Er zeigte mir einen Zeitungsartikel darüber. Patrick Stewart erklärte mir das er mir, daß lieber gleich sagen wollte, falls es mir unter diesen Umständen zu gefährlich erschien, in dieser Gegend zu arbeiten. Ich fand es zwar nicht toll, aber direkt Angst machte es mir auch nicht. Nach-dem ich diesen Test bestanden hatte, folgte schon der nächste: Die Arbeitszeiten im Kino! Man muß natürlich arbeiten wenn alle anderen frei haben, am Wochenende und an Feiertagen. Man kann auch nicht pünktlich um fünf Uhr den Bleistift zur Seite legen und nach Hause gehen. Patrick Stewart war es wichtig klarzustellen, daß man unabhängig sein sollte. Ortsgebunden sollte man auch nicht sein, es war sehr wahrscheinlich, daß man nach der Traineezeit in ein anderes Kino irgendwo in England versetzt werden würde. Ich wurde mehrmals gefragt, ob ich mir darüber im Klaren war. Mir war das schon klar, obwohl ich mir eigentlich noch nie Gedanken darüber gemacht hatte. Als nächstes kamen wir zu einem anderen "heiklen" Punkt. In der Anzeige stand unter anderem, daß jemand mit Erfahrung beim Beaufsichtigen von Mitarbeitern gesucht wurde. Ich mit meinen gerade 22, und nur einer abgeschlossenen Ausbildung konnte da noch nichts vorweisen. Der Genaral Manager fragte mich, ob es für mich ein Problem wäre, sehr viel älteren Mitarbeitern Anweisungen zu geben. Damit spielte er auf die Dame unten an der Kasse an, sie war schon weit über das Pensionsalter raus, aber wurde trozdem weiterbeschäftigt. Ich sagte ihm, das ist kein Problem.

Ich hatte dann noch die Gelegnheit, einige Fragen zu stellen. Zum Abschluß des Gepräches sagte Mr Stewart, daß ich mich ganz gut geschlagen hatte, und das es nicht tragisch war, daß ich noch keine Erfahrung mit der Beaufsichtigung von Mitarbeitern hatte. Das hatte zu dem Zeitpunkt noch keiner vorweisen können.
Für den Fall, daß ich in die enge Wahl kommen sollte, müßte ich noch mal zu einem Interview kommen, zu Patrick Stewart´s Vorgesetztem. Stewart´s Job war es nur, in Erfahrung zu bringen wer den Job machen könnte, und sein Boss würde entscheiden, wer den Job am Besten erledigen könnte. Als Tip erwähnte er noch, daß sein Vorgesetzter ein altmodischer Typ der alten Schule ist, der es gerne sieht wenn Frauen im Rock erscheinen.

Das gefiel mir gar nicht, aber das behielt ich für mich und erwiederte nur, daß ich keinen Rock besitze. Mr. Stewart sagte es wäre eine gute Idee, einen zu organisieren. Ich dachte ich habe eventuell eine Chance auf die Stelle, und verkniff mir zu erwähnen, daß ich mir nur sehr ungern vorschreiben lasse, was ich anziehen soll. Die Uniform bei McDonald´s reichte mir schon. Na ja egal, aus dem zweiten Vorstellungsgespräch wurde sowieso nichts, denn es fand sich doch noch ein Bewerber mit besseren Qualifikationen und Er-fahrung beim Beaufsichtigen von Mitarbeitern. Obwohl Patrick Stewart mir Hoffnungen machte, daß ich gute Chancen habe in die engere Auswahl zu kommen, kam eine knappe Woche später die Absage. Damit war auch die Chance vertan weiter in London zu bleiben, nun mußte ich offiziell zurück.

Kurz vor Ende meines Aufenthalts hatte ich noch ein überraschendes Interview mit dem ich überhaupt nicht mehr gerechnet hätte. Trotz der vielen Absagen habe ich anfangs immer noch gehofft, daß sich etwas anderes ergeben würde und ich bei McDonald´s wieder aufhören könnte. Nach dem letzen Interview habe ich diese Hoffnung begraben.
Eine Woche vor meiner Abreise hatte ich Geburtstag. In dem Stapel Geburtstagspost war auch ein Brief von den Warner Bros. Theatres (UK) Ltd. Auf der kleinen handgeschriebenen Notiz stand, daß ich am 14. April, dem Tag nach meinem Geburtstag, zu einem Interview vorbeikommen sollte.
Die moderne Tontechnik hatte mich in diesem Kino begeistert, als ich mir dort zum erstenmal einen Film angesehen habe. Es war das erste Mal, daß ich im Kino das Gefühl hatte die Hubschrauber ziehen ihre Kreise um mich herum und nicht auf der Leinwand.
Da auf der Notiz, keine Uhrzeit angegeben war, fuhr ich am nächsten Morgen zum Leicester Square und suchte Mr. Lee, den General Manager des Kinos auf. Ich wußte nicht, was ich zu erwarten hatte und war deshalb sehr gespannt. Das Gespräch war kurz, allerdings nicht so kurz wie das bei McDonald´s, Mr. Lee sagte mir, ich könnte bei ihm anfangen. Es hat ihn sehr beeindruckt, daß ich mich schriftlich beworben habe (das hätte mir mal jemand früher sagen sollen). Die anderen drei Mal als ich dort persönlich nach einem Job fragte, hieß es immer nur wir brauchen zur Zeit niemanden. Jetzt war ich total verwirrt. Sechs Monate lang hatte ich auf so eine Gelegenheit gewartet und plötzlich eine Woche vor meiner endgültigen Rückreise bekomme ich sie angeboten. Nach dem Inter-view bin ziellos durch London gelaufen und habe überlegt was ich nun tun sollte. Aber egal wie ich es auch drehte und wendete, mir war klar, daß ich zuwenig verdienen würde, um in London zu bleiben. Vier Pfund die Stunde waren schon guter Durchschnitt, aber immer noch zuwenig zum leben. Es wurden zwar Aufstiegschancen geboten, aber dafür mußte ich erst jede Abteilung durchlaufen. Laut Mr. Lee hätte das ungefähr ein Jahr gedauert. Für einen Student der nebenbei arbeitet, ist so ein Job nicht schlecht, aber als Hauptberuf ist Platzanweiser, glaube ich nicht das Richtige. Ich eigne mich auch nicht um mich vom Tellerwäscher zum Millionär hochzuarbeiten, dazu bin ich viel zu ungeduldig.

Wenigstens konnte ich mit dem Gefühl nach Hause fliegen, es geschafft zu haben, diese ganze Arbeit, das Bewerbungen schreiben, daß so sinnlos erschien, war doch nicht ganz umsonst gewesen.