Ein Jahr bei der Landesvereinigung Kulturelle Jugendbildung Thüringen

FSJ Kultur - rund um Jugendarbeit

Freiwilligenarbeit im Bereich Kultur

Freiwilliges Soziales Jahr in Deutschland

Es ist der erste Montag im September - das Telefon klingelt. Eigentlich nicht weiter ungewöhnlich, das kann am Monatsanfang schon mal vorkommen. Hätte ich damals schon geahnt, wie sehr dieser Anruf mein Leben verändern würde, wäre ich wohl losgerannt, um das Gespräch entgegenzunehmen.

Der Anruf von der Landesvereinigung Kulturelle Jugendbildung Thüringen (LKJ) also: „Sag mal, was hast du denn morgen vor?", dann am nächsten Tag das Bewerbungsgespräch mit anschließender Vertragsunterzeichnung in Erfurt „Willkommen in Team, Arbeitsbeginn war gestern, nächste Woche ziehen wir um, und du hast ein Seminar mit den anderen Thüringer Freiwilligen!"
Mir blieb kaum Zeit, mich darüber zu freuen, dass ich nach meinem Abi und langsam aufkommenden Zukunftsängsten endlich etwas Sinnvolles zu tun hatte - da fand ich mich schon in einem großen Raum mit 25 Jugendlichen und fragwürdigen, pädagogisch wertvollen Kennenlern-Spielchen wieder. Aber damit nicht genug ...
Es galt noch eine Wohnung zu finden und den Umzug zu organisieren, weil ich zu allem Überfluss auch noch aus Sachsen-Anhalt stamme und mir die tägliche Zugfahrt unverhältnismäßig viel Organisation und Zeit abverlangte. Ich habe dann auch tatsächlich eine WG gefunden, die ein Zimmer für mich frei hatte.

Wenn ich meine Arbeit des vergangenen Jahres betrachte, habe ich zwei ganz gegensätzliche Eindrücke.
Von außen gesehen, wäre wohl die erste Assoziation eines der Endlosschleifen-Nachtprogramme gewesen, die man nach zu viel Espresso zum Einschlafen anschaltet... „Space Night" oder der ewig lodernde Kamin.
Wer die Tür zu meinem Büro öffnete, dem bot sich nämlich meist das gleiche Bild: Ich sitze vor dem Computer, starre abwechselnd auf den Bildschirm und auf natürlich akkurat geordnete Papierberge neben, auf und unter meinem Schreibtisch; tippe, klicke und telefoniere. Nicht selten war der Grund der Bürotüröffnung eine unheilvolle Fehlermeldung auf dem Monitor im Nachbarbüro.
Hin und wieder konnte ich wohl auch den Anschein erwecken, Ahnung von Computern zu haben. So gesehen hatte meine Arbeit ab und zu den Charakter einer Computersendung mit Sorgentelefon, was ich aber als sehr lohnenswert im Gedächtnis behalte.

Ich helfe gern, wenn ich kann, was neben der orientierungslosen post-abituralen Verzweiflung wohl der Hauptgrund ist, weshalb ich mich für ein freiwilliges soziales Jahr im kulturellen Bereich beworben hatte. Hilfe und Arbeitserleichterung ist und war auch der Hintergedanke des Projektes, an dem ich gearbeitet habe.
Man hat mir die Betreuung, Aktualisierung und Erweiterung einer Datenbank mit Informationen über und für die Jugendarbeit anvertraut. Ich arbeitete also für „ProMix", einem Projekt des Infoservice der Stiftung Demokratische Jugend in Berlin - mein Arbeitsplatz allerdings befand sich bei der LKJ Thüringen in Erfurt.
Die Anfangszeit mit vielen Erklärungen über Träger, Einsatzstellen, Zuständigkeiten und Zugehörigkeiten waren mehr wie eine Quiz-Sendung; die Fragen konnte ich allerdings erst nach einigen Wochen beantworten und das Preisgeld wurde monatlich auf mein Konto überwiesen. Auch ich durfte viele Fragen stellen; an Einrichtungen und Projekte per Fragebogen oder Telefon - und das gleich mehrfach.

Neben der allgemeinen Datenbank hatte ich ein eigenes Projekt. Ich recherchierte Adressen und Informationen rund ums Thema „Fotografie und Video in Thüringen" fand alles von ständigen Warteschleifen über echte Ansprechpartner und informative Quellen.
Um meine Ergebnisse auch anständig zu präsentieren, benutzte ich meine Bildungstage um mir von kompetentem Volkshochschulpersonal eine Einführung in die Homepagegestaltung geben zu lassen, las viel nach und bastelte die Site mit viel Mühe und Zeit.

Mein Arbeitsplatz bei der LKJ ermöglichte es mir wie in einem Making-Of auch hinter die Kulissen des FSJ Kultur zu sehen und aktiv mit zu helfen -etwa bei dem logistisch schwierigen Bewerbungsverfahren der neuen Generation (gewaltige Kopier- und Versandaktionen) oder der Vorbereitung unserer Landesseminare.
Auch bei Projekten der LKJ arbeitete ich mit, wo es meine Zeit zuließ und gestaltete unter anderem die Videodokumentation zweier Theaterfestivals mit.

Als, „ProMixer" wurde mir die besondere Ehre zuteil, nicht nur die obligatorischen vier Thüringer Seminare zu erleben, sondern zur Vernetzung der über sechs Bundesländer verstreuten Infoservice-Freiwilligen weitere sieben mal quer durch Deutschland zu reisen.
So gesehen wäre auch die Bezeichnung Reisedokumentation nicht ganz abwegig, da ich viele Stunden in Zügen verbracht habe und zum perfekten Bild nur noch eine melodische Hintergrundmusik gefehlt hat, während ich gedankenverloren Landschaften an meinem Fenster vorbeiziehen sah.
Viel Zeit zum Lesen, Nachdenken und Resümieren - und die brauchte ich auch, denn die Erfahrungen und Erkenntnisse die mich in diesem Jahr heimgesucht haben, wollten verarbeitet werden.

Als ich im September auf meine Datenbank-Kollegen traf, war mein erster Gedanke „Oh mein Gott, die sind ja alle blond!". Obwohl ich mich bei unseren Treffen manchmal in einer Seifenoper mit massenweise Beziehungs- und Stylingproblemen wiederzufinden glaubte, entpuppten sich alle, sowohl Chefs als auch Kollegen, als wunderbare Menschen mit den positiven und negativen Eigenschaften, die jeder in sich hat.
Ich habe in diesem Jahr unglaublich viele Leute kennen gelernt; manche mochte ich auf Anhieb, manche weniger, mit einer wohne ich jetzt zusammen und in einen habe ich mich sogar verliebt.

Am Ende haben alle dazu beigetragen, dass ich ein anderer Mensch geworden bin, dass ich meinem Leben (und meinem Studium) eine Richtung geben kann und dass ich mir ganz sicher bin, dass das letzte Jahr auf jeden Fall zu meinen Lieblingsfilmen gehört, egal was für einer es im Endeffekt auch sein mag.
Kein Drehbuchautor hätte es abwechslungsreicher erdenken können. Es ist ein Film mit Happy End, der sogar ein Liebesfilm geworden ist und für die Zukunft die besten Bedingungen schafft. Jedenfalls sehe ich keinen Weg, der an einer spannenden Fortsetzung vorbei führt und das ist auch gut so ...
M. Grießer

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