Hedgefonds & Argentinien

Was hat Argentinien mit Griechenland zu tun?

Wundersame Geldvermehrung - aus 25 Millionen mach 100 Millionen Euro

Aasgeier - Wirtschaft für junge Leute

Argentinien steht vor der Staatpleite. Cristina Fernandez de Kirchner, Staatpräsidentin, fühlt sich erpresst. Warum?
Wie die Geschichte bei der Griechenlandkrise funktioniert, hat Rainer Voss, einst tätig im Investmentbanking, im Film von Marc Bauder, Der Banker - Master of the Universe, (hier Link nur aufs Interview, hier Link auf den vollen Film auf Französisch, deut. Fassung nicht bei Youtube gefunden.) eindruckvoll geschildert:
Aus Sicht der EU durfte keinesfalls ein Bankrott des schlingernden Landes eintreten, denn Standard & Poors drohte mit der Herabstufung der gesamten Eurozone. Das hätte also alle Länder, auch Deutschland getroffen. Jedes Euroland hätte bei Aufnahme von Krediten (Ausgabe von Staatsverschuldungen, Anleihen) höhere Zinsen berappen müssen.

Nun gibt es Verträge, nach internationalem ( engl./angelsächsischem) und einheimischem, also hier griechischem Recht. Bei letzterem kann der Staat im Falle einer drohenden Pleite bestimmen, welchen Anteil er seinen Gläubigern erstatten will. Er vergleicht sich mit ihnen. Das ist in Ordnung, denn die haben gewusst, dass bzw. ob sie sich auf einen Wackelkandidaten einlassen wollten oder nicht, sind bei einem entsprechenden Zins eingestiegen und tragen eben ihr Risiko. Geht die Geschichte schief, so bleibt ein Teil des Schadens an ihnen hängen. Das ist normal; der Käufer trägt sein Risiko.
Diese Art von Anleihen ist folglich für alle Anleger uninteressant. Sie durchforsten einschlägige Datenbanken und picken sich lieber die nach internationalem Recht heraus.
Dort ist nun eine Gläubigerversammlung vorgeschrieben, die darüber beschließt, ob ein Vergleich angenommen wird oder nicht.

Warum kauft das internationale Kapital Schrottanleihen?

Und nun kommt das Entscheidende: Wer immer die Mehrheit von 75 %der Stimmen regiert, beherrscht das weitere Geschehen. Besitzen Hedgefond diese Mehrheit, so können sie dem Staat die Pistole auf die Brust setzen. Und genau das war bei Griechenland erfolgt, was die ganze Eurozone bibbern ließ.

Wie gelangt man nun an die Mehrheit von 75% einer Anleihe? Kurz und knapp: Es sind nicht 75 % des Ausgabewertes zu besitzen, sondern nur 75 % des aktuellen Wertes, dem Marktwert, nicht dem Nenn- bzw. Ausgabewert.
Angenommen es existiere eine Anleihe von 100 Millionen. Der Markt bzw. die Börsen bewerten diese Anleihe eines wackeligen Staates aber nur noch zu einem Drittel ihres Wertes, also 33 Millionen Euro. Nun steigen die Hedgefonds ein: Sie kaufen 75 % dieser Anleihe im aktuellen Wert von 33 Mill. Euro, um das Ganze zu beherrschen. Mehr brauchen sie nicht auszugeben, nur Dreiviertel des aktuellen Börsenwertes. Das sind 24,75 Millionen Euro, die sie einsetzen, um alles, die 100 Prozent, zu erpressen. Durch die 75 % der Stimmrechte, die sie sich erkaufen, wird die Gläubigerversammlung nämlich beschließen, dass der volle Ausgabewert, also die 100 %, auszuzahlen sei.
Damit sichern sie sich also den vollen Nennwert der Anleihe und schlagen auch nur deshalb zu, um genau diesen Gewinn, den Unterschied zwischen den 100 Millonen Euro und 24,5 Mill Euro einzuheimsen.
Der Aufkauf von Anleihen nach internationalem Recht durch Hedgefonds erfolgt also nur, um die Staaten zu erpressen. Anders gesagt: Der Gläubiger trägt bei dieser Konstellation überhaupt kein Risiko. Er kann nichts verlieren.

Buenos Aires im Würgegriff eines Wall Street Hais

Argentinien durchlebt diesselbe Situation. Als das Land wirtschaftlich ins Trudeln geriet, kauften die Hedgefonds die Schrottstaatspapiere gezielt auf, von denen Unbefangene glauben könnten, dass niemand sie hätte haben wollen, mit dem einzigen Zweck, sich den Nennwert zu holen. Kirchner beschuldigt die Hedgefonds also, die Anleihen zu Schleuderpreisen erstanden zu haben, als die volle Rückzahlung bereits aussichtslos war. Solange die Schulden von etwa 1,5 Milliarden Dollar bei den Hedgefonds nicht beglichen werden, darf das Land nach Verfügung des Obersten Gerichtshofs der Vereinigten Staaten keine Anleihen mehr bedienen. Das heißt, dass Argentinien auch Zinszahlungen auf Kredite, mit denen die USA nichts zu tun haben, nicht ausführen darf, Geld, das Argentinen hat und auch zahlen will. Erfolgen diese Zahlungen aber nicht so gilt das Land als pleite. Die Amerikaner entscheiden deshalb mit, weil es um Staatsanleihen nach internationalem Recht geht, die Papier in Dollar ausgegeben wurden, und bei der Geschichte irgendwelche Banken in Amerika mit im Spiel waren. Ein schwerer Fehler. Hauptanstifter der Misere ist der New Yorker Hedgefonds NML Capital, Firmensitz auf den Kaiman-Inseln, des US-Milliardärs Paul Singer. Ein Name, den man sich merken sollte. Ein Mann hält knapp 41 Mill. Menschen im Griff und entscheidet über deren Schicksal.
"The Guardian" beschreibt das Geschäftsmodell so: "Es werden billige Schulden aufgekauft, möglichst mit Profit veräußert, oder der Schuldner wird verklagt, die gesamte geschuldete Summe zu begleichen."

Singer lässt wegen Altschulden aus der Pleite Argentiniens 2001 - auch da war er wie beschrieben vorgegangen - argentinische Vermögenswerte auf der ganzen Welt beschlagnahmen. Ein New Yorker Richter verurteilte Argentinien bereits im Oktober 2012 zu einer Zahlung von 1,3 Milliarden US-Dollar an die Hedgefonds. So ließ er Botschaftsgebäude, Museumsbestände und einen Regierungsjet kurz mal pfänden, Staatskonten sperren und sogar das Segelschulschiff der Marine, den Dreimaster "Libertad", in Ghana an die Kette legen. Würde Artentinien Singer nun auszahlen, so könnten alle anderen Gläubiger, mit denen das Land sich seinerzeit verglichen hatte, ebenfalls ihre ursprünglichen Forderungen geltend machen, was das Land endgültig in den Ruin treiben würde.
Nicht zuletzt geht es bei dem Streit um die Klärung der Frage, inwieweit Investoren überhaupt völkerrechtlich garantierte Rechte von Staaten einschränken dürfen.

Jakob Augstein stellt fest: "Was fehlt ist ein Insolvenzverfahren für Staaten. Es wäre die Horrorvorstellung der Finanz-Geier. Plötzlich trüge ein echtes Risiko, wer einem überschuldeten Staat mit maroden Institutionen und unverantwortlichen Politikern noch weiterhin Kredite gäbe."
Damit gewährt die US-Justiz allen Finanzhaien frei Bahn, die nunmehr das Schicksal von ganzen Ländern und ihrer Bevölkerung in der Hand haben. Der Internationale Währungsfonds, der "Besorgnis" zeigte und vor den verhängnisvollen Folgen des Urteils warnen wollte, wurde erst gar nicht von dem 84-jähriger Richter angehört.

Die Kehrseite der Medaille

Menschen schlechten (?) Charakters könnten wie folgt argumentieren:
Ein "Kredit" hat etwas mit "Vertrauen" zu tun (lat. credere, glauben) und ist zurückzuzahlen. Wäre die Ausgabe dieser Papiere im Bewusstsein erfolgt, die Schulden nicht bedienen zu können, so könnte man das sogar als Betrug werten. Die Regierung (Argentiniens, Griechenlands usw.) wurde demokratisch gewählt. Sie hat den Kredit nach internationalem Recht im Bewusstsein um die möglichen Folgen aufgenommen. Der Schaden, den sie veranstaltet hat, wäre an den vielen Gläubigern hängengeblieben, darunter viele kleine, denn jeder Argentinier - oder wer auch immer - hatte die doch so "sicheren" Staatspapiere kaufen können. Singer hatte den Gläubern den Schrott einfach noch abgekauft, bevor er weiter sank, letztlich ein gutes Werk vollbracht.
Man wähle seine Philosophie nach Gusto.

Auf  jeden Fall hat das Land bis Ende Juli erstmal noch einen Aufschub. Danach wird der Daumen von den Rating Agenturen gesenkt oder nicht. Das dürfte auf jeden Fall zu Unruhen im Land führen. Die stehen übrigens auch in Brasilien an, denn gleich nach Ende der Fußball-WM werden die Schrauben angezogen werden müssen, um den Spaß zu berappen. Öffentlicher Nahverkehr, Benzin usw. Das könnte spannend werden, denn gekostet hat die Chose rund 8 Mrd Euro, denen 3 Mrd Einnahmen gegenüberstehen.