Unterrichtsfreie Schulzeit

Herausforderung Ferienunterricht

Betreuen von Schulklassen mit mehr als 60 Schülern

Am Montag, den 5. Januar, begann für mich nach zweiwöchiger Pause der zweite Teil der „vacaciónes útiles“. Da ich den Verdacht hegte, dass meine Schüler trotz mehrfacher Ankündigung und Austeilen von Zettelchen sich eventuell nicht an das genaue Datum erinnern würden, hatte ich wohlweißlich eine Woche zuvor mehrere Male per Radio den erneuten Beginn ankündigen lassen. Um eine gewisse Übersicht über die Anzahl der Schüler in den einzelnen Aktivitäten zu haben, hatte ich für Montag morgen zu einer „reunión“ (Versammlung) eingeladen, innerhalb derer sich alle interessierten Schüler in Listen eintragen sollten. Mit den insgesamt fast 80 Schülern, die sich dann an jenem Morgen entweder durch ihre Eltern oder persönlich eingeschrieben haben, hatte ich allerdings nicht gerechnet. Auch hatte ich nicht erwartet, dass sogar einige Mütter sich laut zeternd und schreiend um die wenigen Plätze für Computerunterricht streiten würden, und ebenso wenig hatte ich geplant, meine beiden Englischkurse (für Anfänger und Fortgeschrittene) mit jeweils fast 50 Schülern zu besetzen.
So habe ich mir dann an jenem Morgen sechs volle Listen für zwei Computerkurse (jeweils 10 Schüler), zwei Englischkurse (jeweils fast 50 Schüler), zwei „Lectoescritura“ – Kurse (jeweils 30 Schüler) mit nach Hause genommen, um dann am Nachmittag bereits mit dem Anfänger – Englischkurs (Kinder zwischen 8 und 12 Jahren) zu beginnen. Als ich an der Schule ankam, habe ich mich doch etwas erschreckt: Neben den Schülern auf meiner Liste kamen noch weitere Kinder, zum Teil in Begleitung ihrer Eltern, um teilzunehmen. Nachdem ich diese Spätankömmlinge zunächst wohlwollend akzeptiert habe, kamen mir bei Schüler Nummer 60 dann Zweifel, ob es überhaupt einen genügend großen Klassenraum gäbe, geschweige denn ob der Unterricht mit so vielen Kindern möglich sei. Den Überzeugungstaktiken der Eltern oder Schüler („por favor, es solamente uno más“ – bitte, das ist doch nur eine(r) mehr; „soy el primo de X“ – ich bin der Cousin von X) konnte ich jedoch nur schwer etwas entgegensetzen, und musste schließlich auf die Suche nach einem Raum für 64 Schüler begeben; mit zum Teil vier Schülern in einer Sitzbank (eigentlich für zwei Schüler vorgesehen) passten wir immerhin in den größten Raum.

Wieder Erwarten klappte der Unterricht mit einer so großen Schülerzahl aber recht gut; da einige Schüler bereits vor Weihnachten am Englischunterricht teilgenommen hatten, konnte ich auf ihre sehr bereitwillige Hilfe zählen und zunächst die Lieder wiederholen, die ich ihnen zum Erlernen der Zahlen und Farben beigebracht hatte. Natürlich kann man bei großen Schülergruppen dem Einzelnen viel weniger gerecht werden, als dies in kleinen Gruppen möglich ist; so habe ich dann begonnen, den Kindern Arbeitsblätter mit einfachen englischen Wörtern und Sätzen zu erstellen, und diese nach Bearbeitung einzusammeln und zu korrigieren. In wieweit jeder Einzelne nun wirklich davon profitiert hat, sei dahin gestellt; aber es hat mir viel Freude bereitet, mit welchem Enthusiasmus die Kinder ihre Arbeitsblätter ausfüllten und diese dann stolz nach Hause trugen. Innerhalb von zwei Wochen reduzierten sich die Kurse sowieso auf recht anständige Zahlen von maximal 40 Schülern, womit ich eigentlich auch gerechnet hatte: Kostenloser Unterricht zieht in der Stadt zunächst viel Aufmerksamkeit auf sich, aber die entgeltlose Teilnahme sorgt auch dafür, dass einige Schüler unregelmäßig und zu spät oder bereits nach einigen Malen gar nicht mehr kommen. Andere Freiwillige erzählten, dass die ernsthafte Teilnahme an Lernangeboten eigentlich nur mit einer nicht zu niedrigen Gebühr zu erreichen ist; leider sind die Menschen in Bolivien daran gewöhnt, dass Bildung (zum Beispiel das Studieren in der Universität) etwas kosten muss, damit sie gut ist.

Tücken eines typischen gemischten Englischkurses

Die Teilnehmer des zweiten Englischkurses (13- bis 16-Jaehrige) baten mich bereits zu Anfang, ruhig mit einem recht hohen Niveau einzusetzen. So haben wir dann damit begonnen, Fabeln des Äsop auf Englisch zu lesen, also Vokabular und Aussprache zu erarbeiten und die jeweilige Moral zu erklären. Die bolivianischen Schüler lernen Fremdsprachen, in dem sie englischsprachige Sätze und Texte ins Spanische übersetzten, oftmals Wort für Wort und ohne den Kontext zu verstehen, nicht selten ohne die Aussprache zu üben. Somit fiel es meinen Schülern recht leicht, die Fabeln zu übersetzen und vielen gelang es ebenfalls, den Inhalt auf Spanisch wiederzugeben; aber sowohl Aussprache als auch der Versuch, einen kleinen Kommentar auf Englisch zu schreiben, stellten sich schon als viel schwieriger dar. Hinzu kam dann noch, dass nicht nur Schüler der Schule Rosenhammer, sondern aus den Schulen der ganzen Stadt (sogar zwei Mädels der österreichischen Elite-Privatschule mit 50 $ Monatsgebühr) und verschiedener Stufen kamen, und ein völlig unterschiedliches Niveau mitbrachten: Während einige Schüler (und davon nicht wenige des Rosenhammers) sogar recht verständlich auf Englisch sprechen konnten, so gelang es anderen kaum, einen Satz vorzulesen.
Daher habe ich mir überlegt, im Rahmen des Themas „Musik aus den Siebziger Jahren“ den Schülern Lieder von den Beatles, Bob Dylan und Simon & Garfunkel beizubringen und ihnen eine Hörkassette und ein kleines Liederbuch zu erstellen; so konnten die etwas Fortgeschritteneren sich nach Belieben näher mit Vokabular und Grammatik der Liedtexte beschäftigen, während es für den Rest einfach schon hilfreich war, anhand der Musik die englische Aussprache zu üben.

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