Ungerechte Chefin

Streit mit der Chefin

Die Moral gewinnt nicht immer

Der Schwächere zieht den Kürzeren

Eine Schlange im Garten
Leider gab es etwas, das mir bald die Freude an Arbeit und Lernen vergiftete: Mobbing. Und diese Vergiftung geschah ausgerechnet durch eine der Chefinnen. David oder Shaul, zwei andere Chefs, waren nicht bei jeder Arbeit dabei. So war es unausweichlich, daß ich es eines Tages auch mit Alice zu tun bekam.
Mir fiel bald auf, daß sie ständig an meiner Arbeit herumnörgelte. Nie waren „meine" Bäume richtig geschnitten (zuvor hatten Galith und David gesagt, ich hätte keine Fehler gemacht), immer lagen noch Äste dort herum, wo ich geharkt hatte (das geschah bisweilen auch anderen: doch bei mir wurde es bemängelt). „Das ist schlecht; das ist nicht richtig", war der Refrain all unserer Begegnungen. Bisweilen gab sie ihre Erklärungen so ab, daß ich sie mißverstehen mußte - dann wurde ich beschimpft. „Warum hast du das so gemacht; ich habe es doch anders erklärt. Alle anderen machen ihre Arbeit richtig. Ich bin doch nicht dumm!", fauchte sie mich eines Tages an, als ich junge Bäume an der falschen Seite an den Stützdraht gebunden hatte. Ich hatte es tatsächlich falsch gemacht - als einzige der ganzen Arbeitsgruppe.
Der „Gipfel" der Unerträglichkeit aber war für mich erreicht, als Alice mir verbot, während der Arbeit zu fotografieren. Dabei wußte sie, daß ich Autorin und Journalistin bin; ich schleppte meine Ausrüstung immer in einem Rucksack mit mir, zum Ergötzen der anderen Volontäre.

Nun machte mich John auf ein kleines grünes Fröschchen aufmerksam, das auf einem der weißgekalkten Baumstämme hockte. Ich fotografierte es zweimal - eine „Arbeitsunterbrechung", die höchstens drei Sekunden gedauert hatte. Doch Alice schrie mir zu: „Arbeiten! Nicht fotografieren!"
Nun verlor ich die Beherrschung. Ich erklärte ihr, daß ich als Freiwillige hier sei, nicht als Zwangsarbeiterin - und daß Fotografieren Teil meines Berufs sei, außerdem arbeite ich nicht schlechter als andere auch, „verlorene" Zeit könne ich problemlos aufholen. „Halt den Mund!", wurde ich angebrüllt - woraufhin ich zurückbrüllte.

Der Leiter der Gärtnereien, der auch für die Volontäre mitverantwortlich war, erklärte, daß es besser sei, wenn ich den Kibbuz verließe; er begriff, daß es sonst immer wieder zu Zusammenstößen kommen würde; ein Gespräch zwischen ihm und Alice nach einem ersten Streit hatte zu keiner Verbesserung des Klimas geführt. Ich fühle mich wie eine Versagerin, obwohl ich das einzig Richtige getan hatte: mich gegen ungerechte Behandlung gewehrt. Dies bestätigt mir auch Iris, die ich um Rat gefragt hatte und die mich nun deprimiert und traurig vorfindet. Und sie weist mich auf die grundsätzliche Problematik hin: einem Kibbuzmitglied kann nicht ohne weiteres gekündigt werden - dann müßte der Kibbuz für es aufkommen; Volontäre aber kommen und gehen: darum haben sie automatisch weniger Rechte - auch wenn sie moralisch im Recht sind. Eine bittere Lektion.